Vipassana Erfahrung – fünf Tage in Stille

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Meine Erfahrungen aus fünf Tagen Vipassana.

Warum habe ich mich für das Vipassana entschieden?

Ehrlich gesagt, konnte ich diese Frage selbst nicht direkt beantworten – zumindest nicht, bevor ich dort war. Wenn ich genauer darüber nachdenke, sind es meine Stärken Neugier und Expertise, die mich in diese Richtung gezogen haben. Ich bin stets auf der Suche nach Möglichkeiten, mich selbst weiterzuentwickeln. Gleichzeitig war es auch eine Herausforderung, die meine Stärken Fokussierung und Umsetzung ansprach. Fünf Tage in absoluter Stille zu verbringen, ohne jegliche Ablenkung, erschien mir als eine riesige mentale Prüfung. Vielleicht trieb mich dieser Gedanke an. Vielleicht aber auch der Wunsch, zu lernen, meine Gedanken bewusster zu steuern und damit meine Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. In jedem Fall war es eine spannende Vipassana Erfahrung, die ich sehr gern wiederholen werde.

Was ist eigentlich Vipassana?

Vipassana ist eine uralte Meditationstechnik, die aus Indien stammt und auf die Lehren Buddhas zurückgeht. Der Begriff bedeutet „die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind“. Ziel ist es, durch die bewusste Beobachtung des Atems und der Empfindungen im Körper Einsichten über die eigene geistige und körperliche Verfassung zu gewinnen. Anders als bei anderen Meditationsarten geht es nicht um Visualisierung oder Mantras, sondern um die direkte Erfahrung der Gegenwart. Durch diese Achtsamkeitspraxis soll langfristig mehr Klarheit und innere Ruhe entstehen.

Weitere Informationen zu Adriaan & Kati von Wagensveld findest du: HIER

Eine vertiefende Beschreibung und weitere Berichte zur Vipassana Erfahrung findest du: HIER

Tag 1: Ankunft und der erste Schritt in die Stille

Am Sonntag Nachmittag war es endlich so weit. Ich war nervös, aufgeregt – und ja, ein bisschen unsicher. Der Weg zum Seminarzentrum fühlte sich wie eine Reise in eine andere Welt an. Hoch oben auf einem Berg, am Ende einer Sackgasse, umgeben von Wäldern und Wiesen. Ein magischer Ort, der wie geschaffen schien, um die Welt draußen hinter sich zu lassen.

Nach und nach trudelten die anderen Teilnehmer ein. Insgesamt waren wir 14 Personen, und beim gemeinsamen Abendessen lag eine Mischung aus Anspannung und Neugier in der Luft. Die Gespräche waren vorsichtig, fast schüchtern – schließlich wussten wir alle, dass bald die Stille beginnen würde.

Vor der ersten Meditationsstunde erhielten wir einen Vortrag über Vipassana und eine ausführliche Erklärung der Regeln für die kommenden Tage. Gegen 20 Uhr begann dann die Praxis. Wir betraten einen großen, schlichten Raum, in dem Yogamatten, Bodenstühle und Meditationskissen für uns vorbereitet waren. Jeder bekam seinen festen Platz zugewiesen. Als ich mich hinsetzte und die Augen schloss, wusste ich: Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Die nächsten fünf Tage gehörten ganz der Stille.

Schon in dieser ersten Stunde bemerkte ich, wie mein Körper auf die plötzliche Ruhe reagierte. Mein Kiefer begann sich zu verkrampfen – ein klares Zeichen für die innere Anspannung, die ich mitbrachte. Ich hatte zuvor nie bewusst wahrgenommen, wie viel Druck ich dort speichere. Statt dagegen anzukämpfen, lag die Aufgabe darin, die Empfindung einfach wahrzunehmen.

Nach der Meditation ging es ins Bett. Kein Handy, kein Buch, kein „Gute-Nacht-Gruß“ von der Familie – einfach nur Stille. Ich lag lange wach und merkte, wie die Gedanken kreisten. Aber das war in Ordnung. Es gab keinen Druck, keinen Zeitplan, keine Erwartungen.

Tag 2: Der Vipassana Rhythmus der Stille

Um 5:30 Uhr klingelte der Wecker. Obwohl ich das Gefühl habe, gerade erst eingeschlafen zu sein, beginnt der Tag pünktlich um 6 Uhr mit der nächsten Meditationsrunde.

Der Tagesablauf ist klar strukturiert: Jede Stunde 7 Minuten Pause, dazu feste Zeiten für Frühstück, Mittag- und Abendessen. Das Frühstück beginnt um 9 Uhr – und ich merke schnell, wie viel Zeit mir bleibt, als ich nach wenigen Minuten fertig bin. Mein erster Impuls ist, diese übrige Zeit irgendwie zu füllen. Aber womit? Es gibt nichts zu tun, nichts zu lesen, nichts zu schauen. Also bleibt nur eines: da zu sitzen und zu sein. Eine erste Erkenntnis für mich: Ich nehme mir mehr Zeit fürs Essen.

Die Gehmeditation am Nachmittag stellt eine besondere Herausforderung dar. Ziel ist es, den Atem als Führer der Bewegung zu nutzen und jeden Schritt bewusst zu setzen. Anfangs fällt es mir schwer, mich darauf einzulassen. Immer wieder schweifen meine Gedanken ab. Dennoch ist es faszinierend, wie langsam ich in diesen neuen Rhythmus finde.

Adriaan, unser Leiter, begleitet uns den ganzen Tag über mit Anleitungen und Gedankenanstößen. Immer wieder ruft er uns Worte zu: „ATMEN!!!“, „SPÜREN!!!“, „Du bist freigestellt zum Verweilen“, „Du musst nichts darstellen…“, „Du hast Urlaub!“ Diese Erinnerungen bleiben mir besonders im Gedächtnis.

Tag 3: Die Hürde des dritten Tages

Der dritte Tag ist mental der schwierigste. Einerseits habe ich schon einiges geschafft, andererseits scheint das Ziel noch unendlich weit entfernt. Meine Logik – eine meiner Stärken – sucht nach einem sinnvollen Grund, warum ich das hier mache. Doch die Antwort darauf bleibt aus. Stattdessen muss ich mich immer wieder selbst daran erinnern, dass es nicht darum geht, etwas „zu erreichen“.

Adriaan leitet uns an diesem Tag auf eine besondere Reise durch den Körper. Wir wandern gedanklich von der Speiseröhre über den Magen bis hin zum Dickdarm. Es ist erstaunlich, wie präsent sich mein Körper dadurch anfühlt – und wie sehr diese bewusste Wahrnehmung meine Haltung zum Essen verändert. Doch genau hier beginnt auch eine neue Herausforderung: Meine Rückenschmerzen werden immer intensiver. Ist es eine körperliche oder mentale Reaktion? Bis heute kann ich diese Frage nicht eindeutig beantworten.

Tag 4: Schmerzhafte Vipassana Erfahrung

Die Schmerzen in meinem unteren Rücken und die Verkrampfungen in meinen Schultern werden so stark, dass ich Adriaan um Rat frage. Mit Dehnübungen, Massagerollen und gezielten Atemtechniken schaffe ich es irgendwie, den Tag zu überstehen. Gleichzeitig merke ich, wie die immer wiederkehrenden Anspannungen in meinem Kiefer weniger werden. Es ist, als würde mein Körper langsam lernen, die Stille anzunehmen.

Gegen Abend fällt mir auf, dass meine Gedanken spürbar weniger werden. Das unaufhörliche Karussell in meinem Kopf, das mich in den ersten Tagen begleitet hat, beginnt sich zu beruhigen. Endlich stellt sich das ein, was viele vorab beschrieben haben: eine tiefe innere Ruhe.

Tag 5: Vipassana Urlaub in mir selbst

Am fünften Tag beginne ich, die Erfahrung wirklich zu genießen. Die Stille ist nicht mehr beängstigend oder ungewohnt – sie ist befreiend. Adriaans Worte „Urlaub in dir selbst“ treffen es perfekt. Ich fühle mich leicht, klar und präsent. Die Atemübungen, die Bewegungsübungen, selbst das einfache Sitzen: Alles ergibt plötzlich Sinn.

Am Nachmittag werden wir aus der Stille entlassen und treffen uns in einem großen Kreis. Es ist ungewohnt, den anderen wieder in die Augen zu schauen und ihre Stimmen zu hören. Jeder teilt seine Erfahrungen und Erkenntnisse. Es ist ein intensiver Moment des Verstehens und Verbundenheit.

Nach dem Abendessen gehen wir noch einmal für 30 Minuten in die Stille zurück. Allein diese zwei Stunden reichen aus, um mein Gehirn wieder auf Hochspannung zu bringen. In den ersten 15 Minuten dieser letzten Meditationsübung flackern meine Augen vor Aufregung hin und her. Doch durch die Vipassana-Übungen kann ich meine Gedanken und die innere Unruhe bändigen. Es ist faszinierend, wie schon eine einfache Begegnung mit den anderen so viel im Körper auslösen kann.

Tag 6: Zurück in den Alltag

Der letzte Morgen beginnt noch einmal mit Meditation. Doch diesmal liegt der Fokus auf dem Transfer in den Alltag. Adriaan betont, wie wertvoll es ist, kurze Wartezeiten – ob an der Ampel oder in der Schlange – für kleine Atemübungen zu nutzen. „Wartezeit ist geschenkte Zeit,“ sagt er. Ein Gedanke, der mir im Gedächtnis bleibt.

Nach dem Frühstück geht es noch in eine zweistündige Gesprächs- und Fragerunde. Erst danach verabschieden wir uns voneinander. Ich spüre, dass diese fünf Tage etwas in mir verändert haben – auch wenn ich die volle Tragweite dieser Erfahrung noch nicht begreifen kann.

Die Tage danach: Ein neuer Blick auf den Alltag

Zurück in der Realität fällt mir auf, wie überreizt ich bin. Die gewöhnlichen Alltagsgeräusche wirken laut und aufdringlich, die gewohnte Routine fällt mir schwer. Ich bin abends unglaublich müde und schlafe schneller ein als je zuvor. Doch es ist keine angenehme Müdigkeit, sondern eine Überforderung durch die plötzliche Reizflut.

Trotzdem kann ich einige Erkenntnisse in meinen Alltag integrieren. Ich habe mir vorgenommen, bewusster zu essen – eine Mahlzeit ohne Ablenkung, ohne nebenbei etwas anderes zu tun. Das ist eine große Herausforderung. Ziemlich oft ist das Essen schon verspeist, bevor mir einfällt, bewusster zu essen. Auch kurze Atemübungen und die Gehmeditation, die ich mit dem Joggen verbinde, sind fester Bestandteil meines Wochenrhythmusses geworden.

Meine Vipassana Erfahrung und was ich für mich mitnehme

Vipassana hat mir gezeigt, wie stark unser Alltag uns beeinflusst, oft ohne dass wir es merken. Diese fünf Tage waren eine Chance, innezuhalten, meine eigenen Muster zu erkennen und bewusst loszulassen. Es war nicht immer einfach, aber genau das macht die Erfahrung so wertvoll.

In meiner Arbeit als Businesscoach und Stärkentrainer hilft mir diese Erfahrung, meine eigene Klarheit und Ruhe zu bewahren – und meinen Coachees besser zu vermitteln, wie wichtig es ist, sich selbst bewusst wahrzunehmen. Denn nur, wer in sich selbst ruht, kann andere wirklich führen.

Vipassana war keine Auszeit im klassischen Sinne. Es war eine Reise zu mir selbst – mit allen Herausforderungen und Erkenntnissen, die dazu gehören. Und für diese Reise bin ich unendlich dankbar. Und wie es sich für einen grandiosen Urlaub auch verhält: Ich komme sicher wieder!